Littering-Projekt (Ausstellung von Abfall-Stillleben und Büch über Littering)

Öffentliche Ausstellung am Rhein, vom Juni 2022

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Natürlich gibt es Organisationen, die versuchen gegen das Littering anzugehen. Doch mit «Aufklärungskampagnen», die erklären, wie man sich verhalten sollte, wird offenbar eher wenig erreicht, denn eigentlich wüssten wir alle, wie man sich verhalten müsste. Die «Gehtmichnichtsan-Generation» reagiert eh nicht auf erhobene Zeigefinger. Was aber fehlt, sind Vorbilder, die zeigen, wie es geht.

Littering ist ein Phänomen, das uns tag täglich begegnet. Es ist so normal geworden, dass wir oft nicht mehr wahrnehmen, wenn irgendwo wieder Abfall rumliegt. Doch im Sommer, wenn es wieder Alle nach draussen zieht und die Nächte lau sind und zu Partys unter Sternenhimmel einladen, dann wird es offensichtlich, dass man sich einen schönen Platz, ohne Abfall suchen muss. Wer im Rhein baden will, muss festes Schuhwerk tragen, um nicht ernsthafte Verletzungen von Scherben, Kronkorken oder aufgerissenen Blechdosen zu riskieren.

Auf den ersten Blick habe ich völliges Unverständnis, dem liegengelassenen Abfall gegenüber. Denn meist liegen beim zurückgelassenen Abfall, genügend Säcke und Taschen herum, um den Abfall in die immer nahegelegenen Tonnen zu werfen. Seit ich selbst angefangen habe,

regelmässig Abfall zu sammeln, wundere ich mich immer wieder, was da alles liegen bleibt. Es gibt Einblicke in Menschen, die sich möglichst billig, aber hocheffizient «abschiessen», möglichst schnell besoffen sein wollen. Sie hinterlassen billigsten Junkfood, billigste Energydrinks, billigsten Wodka in ein oder zwei Liter Flaschen, Kopfschmerztabletten und Tampons, deren tatsächlichen Einsatz ich hier ungerne erläutern möchte.  Neuerdings gesellen sich Grosspackungen von CO2 Gas dazu, das den Suff weiter beschleunigt und einen völlig wegtreten lässt. Üblicherweise bleiben Grosspackungen von billigem Bier und Junkfood-Verpackungen liegen. Aber es bleiben auch sehr teure Spezial-Biere, Weine, Champagner und Cocktails liegen. Was dabei auffällt: ich muss jede Flasche, jede Dose zuerst ausleeren, bevor ich sie in den Abfallsack stecken kann. Im Durchschnitt wurde von Energy-Drinks, nur ein Schluck, von Bier nur ein bis zwei Drittel getrunken. Von Wein, Champagner und Schnaps, bleibt meist weniger

übrig. Durchaus aber noch ungeöffnete Gebinde. Auch die Lebensmittel werden selten aufgegessen.

Offenbar leben wir in einem riesigen Überfluss, den wir mit den Hinterlassenschaften zur Schau stellen. Es gibt offenbar kaum eine Wertschätzung gegenüber Lebensmitteln, die immer und überall, billig verfügbar sind.

Ja, das Leben hat sich in den letzten 40 Jahren, seitdem ich selbst am Rheinufer gefestet habe, radikal verändert. An jeder Ecke gibt es «To Go», in viel Alu, Plastik und Karton verpackt. Die Gesellschaft scheint nicht mehr gewillt zu sein, zivilisiert zu essen und zu geniessen. Alles muss schnell gehen, im Gehen oder irgendwo draussen, unterwegs. Da scheint keine Zeit mehr, die Verpackungen wieder zurück in die mitgebrachte Tasche zu stecken und im Vorbeigehen, in den nächsten Container zu werfen. Nein, die Tasche bleibt gleich auch liegen.

Ich höre immer wieder den Vorwurf, dass die «Randständigen» diesen Dreck machen. Ja, es gibt wenige Ecken, wo sich auch «Randständige» aufhalten und Dreck hinterlassen. Die sind aber eher Ausnahmen. Sie haben vermutlich auch nicht das Geld, um solche Übermengen zu kaufen, nur um sie, oft ungeöffnet, liegen zu lassen. Randständige sind eine Ausrede für das eigene Versagen, oder um das schlechte Gewissen zu beruhigen.

Wohin führt uns das? Welche Lösungen gibt es dazu? Helfen drakonische Steuern auf Verpackungsmaterial, damit weniger davon verkauft und dann liegen bleibt? Belehrungen und Strafen halfen bisher nichts. Denn für Littering gäbe es Bussen: Eine Zigarettenkippe wegwerfen, kostet 80 Franken. Doch selbst unser oberster Polizist wirft seine Kippe ins Rheinbord. Es fehlt offensichtlich an Vorbildern. Offenbar lernt heute niemand mehr Anstand oder logisches Denken. Ich höre oft: «Die kommen es ja holen, dafür bezahle ich schliesslich Steuern.» Himmel! Willst Du Steuern sparen, dann nimm Deinen Mist wieder mit! So drehe ich weiter allein meine Runden an den Wochenenden und staune, was ich da alles einsammle.

In diesem Begleitbuch zur Fotoausstellung am Rheinufer, möchte ich diesem Thema auf den Grund gehen. Ich möchte wissen, wie es denen wunderbaren Menschen geht, die Tag täglich unseren Mist wieder wegräumen. Ich möchte offizielle Stallen, wie die Stadtreinigung, das AUE oder das Stadtteilsekretariat, aber auch Organisationen, die dem Littering den Kampf ansagen, zu Sprache kommen lassen. Ohne die Stimme der Nutzer, wäre das Buch aber nicht vollständig. Die Antworten werden so bunt sein, wie der Abfall selbst.

PS:

Nicht immer allein. Ab und zu helfen mir Mitarbeiter der Stadtreinigung. In ihrer Freizeit! Wenn das nicht Engagement und Liebe zum Job ist! An dieser Stelle möchte ich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadtreinigung ein riesiges Dankeschön aussprechen. Sie machen täglich einen riesigen Job, eine Sisyphos-Arbeit.

Sisyphos am Rheinufer

Wohin führt das mit unserer Gesellschaft, mit unserer Stadt, mit unserem Lebensraum?

Wohin gehst Du … Mit Deinem Mittagessen, Deiner Party? Mit Deinem Abfall?

Was sind die Wichtigsten Begriffe unserer Gesellschaftskultur? «Ich», «jetzt», «sofort», «to go», «egal», «die Anderen», «geht mich nichts an» …

Copyright 2022, ©Andrea Giovanni Käppeli | Basel | SUI

Kontakt: Littering@ag-kaeppeli.ch

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