Littering-Projekt (Ausstellung von Abfall-Stillleben und Büch über Littering)

Öffentliche Ausstellung am Rhein, vom Juni 2022

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Zum Littering-Projekt

Es gibt kaum einen Ort, an dem nicht gelittert wird und kaum eine Generation, die keinen Abfall liegenlässt. Während eine 15-Jährige ihre leere Wasserflasche unter die Parkbank fallen lässt, schnippt ein Senior seinen Zigarettenstummel ins Gebüsch neben dem Wanderweg. Ein kleines Kind lässt die Verpackung seines Riegels auf dem Pausenhof liegen, während seine Mutter die Schutzmaske auf den Parkplatz vor dem Einkaufszentrum wirft. Littering ist nicht nur auf ungezogene Kinder oder rebellierende Jugendliche zurückzuführen, es gibt in allen Altersgruppen Menschen, die Abfall liegenlassen. Genauso unterschiedlich sind ihre Beweggründe: Manche haben keine Zeit, ihren Abfall korrekt zu entsorgen, bei anderen sorgt der Gruppendruck dafür, dass sie den Weg zum Abfallkübel nicht auf sich nehmen. Manche denken, die Putzequipe sorge ohnehin für Ordnung und wieder andere glauben sogar, dass sie mit Littering Arbeitsplätze schaffen. Das Bevölkerungswachstum, die zunehmende Mobilität und der steigende Unterwegskonsum haben in den vergangenen Jahrzehnten dafür gesorgt, dass das Littering stetig zunahm.

Weitreichende Folgen für Mensch, Umwelt und Wirtschaft

Durch mein Studium in Umwelt- und Sozialpsychologie und als Geschäftsleiterin der IG saubere Umwelt (IGSU) setze ich mich schon lange intensiv mit dem Thema Umweltschutz und Littering auseinander. Da ich weiss, was Abfall anrichten kann, der im Gebüsch oder unter der Parkbank liegenbleibt, ist es für mich selbstverständlich, dass Abfall in den Kübel gehört und richtig getrennt werden muss. Ich bin überzeugt davon, dass sich die meisten Menschen auch daran halten würden, wenn Ihnen die Folgen von Littering bewusst wären.

Die Auswirkungen von Littering sind vielfältig. Einerseits stört Littering und reduziert die Lebensqualität und das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung im öffentlichen Raum. Es kann sogar das Image einer Stadt oder Gemeinde verschlechtern. Littering kann auch direkte negative Einflüsse auf die Gesundheit von Menschen haben, beispielsweise wenn sich Kinder an gelitterten Gegenständen schneiden, verbrennen oder verunreinigte Abfälle in den Mund nehmen. Andererseits hat Littering auch negative Auswirkungen für die Umwelt: Abfälle, die nicht korrekt entsorgt wurden, verunreinigen nicht nur Boden, Pflanzen und Gewässer. Sie lassen sich auch nicht in Stoffkreisläufe zurückführen und können deshalb nicht recycelt werden. Stattdessen müssen neue Ressourcen mit all den damit einhergehenden Umweltauswirkungen gewonnen werden.

Und schliesslich hat Littering auch ökonomische Auswirkungen: Gemäss einer Studie des Bundesamts für Umwelt BAFU belaufen sich die Reinigungskosten für Littering in der Schweiz jährlich auf ca. 200 Millionen CHF. 75% fallen im öffentlichen Raum von Städten und Gemeinden an und 25% im öffentlichen Verkehr.

Spassfaktor statt Mahnfinger

Um diese Folgen in der Öffentlichkeit bekannt zu machen, setzen wir von der IGSU auf Prävention. Natürlich braucht es einen umfassenden Massnahmen-Mix, um gegen Littering vorzugehen: Eine entsprechende Abfallinfrastruktur soll zur Verfügung gestellt, verunreinigte Orte müssen gereinigt und Abfallsünder gebüsst werden. Doch um das Verhalten der Bevölkerung nachhaltig zu verändern, braucht es Sensibilisierungsmassnahmen. Denn Littering wird auch an Orten zum Problem, an welchen keine Abfallkübel zur Verfügung stehen, nicht gereinigt und nicht gebüsst wird. Und wir wollen, dass die Bevölkerung auch im Wald, auf Bergen und an einsamen Flussufern keinen Abfall liegenlässt.

Es ist allgemein bekannt, dass ein drohender Mahnfinger nicht gut ankommt - auch nicht bei Abfallsündern. Deshalb entwickelt die IGSU Massnahmen, die alle Altersgruppen der Bevölkerung dazu motivieren, das Richtige zu tun. Die IGSU zeigt, dass es «cool» ist, die Umwelt zu schützen und dass das Engagement gegen Littering Spass machen kann und die Menschen näher zusammenbringt.

IGSU-Botschafter:

Mit Charme gegen Littering

Einen grossen Spassfaktor haben die IGSU-Botschafter-Teams, die seit der Gründung der IGSU eingesetzt werden. Sie ziehen in den Sommermonaten jeweils durch über 50 Städte und Gemeinden und sprechen mit Passantinnen und Passanten über Littering und Recycling. Dank viel Charme und Humor schaffen sie es, Gross und Klein zum korrekten Entsorgen ihrer Abfälle zu motivieren und ein Bewusstsein für die Littering-Problematik zu schaffen. Immer mit dabei haben sie ihre Recyclingmobile, in denen Abfall gleich vor Ort richtig getrennt werden kann. In grossen Städten wie Bern, Genf oder Lugano führen die Botschafter zudem sogenannte Plakat-Bekenner-Aktionen durch. Dabei können sich Passantinnen und Passanten mit Sprüchen, Zeichnungen oder Unterschriften auf weissen Plakaten gegen Littering bekennen. Die Botschafter werden dabei auch immer wieder von lokalen Politikerinnen und Politikern unterstützt. Es ist immer wieder faszinierend, wie kreativ die Bevölkerung auf diese Aufforderung reagiert und wie viele Menschen sich gerne auf ein Gespräch über Littering und Recycling einlassen.

2016 wurden die Plakat-Bekenner-Aktionen erstmals auf Autobahnraststätten ausgedehnt. Denn gemäss Bundesamt für Strassen (ASTRA) landet jedes Jahr rund eine Tonne Abfall pro Fahrkilometer auf und neben der Autobahn. Damit der richtige Umgang mit Abfall aber bereits vor der Autoprüfung gelernt wird, besuchen die IGSU-Botschafter auch Schulen und führen dort Workshops und Pausenaktionen durch. Dank moderner und unterhaltsamer Unterrichtsunterlagen können zudem Lehrerinnen und Lehrer die Themen Littering und Recycling selbständig in ihren Unterrichtsplan aufnehmen. Die Materialien, die von Swiss Recycling und der IGSU entwickelt wurden, stehen auf

www.littering-recycling.ch kostenlos zur Verfügung.

Clean-Up-Day:

Gemeinsam sind wir stark

Die wohl bekannteste Anti-Littering-Massnahme der IGSU ist der nationale IGSU Clean-Up-Day, der vom Bundesamt für Umwelt BAFU, dem Schweizerischen Verband Kommunale Infrastruktur und der Stiftung Pusch unterstützt wird. Seit 2013 engagiert sich die Schweizer Bevölkerung jeweils an zwei Tagen im September gegen Littering und für eine saubere Umwelt. Vom Kindergarten-Kind über die Politikerin bis zum Geschäftsführer – sie alle sammeln an zahlreichen Aufräum-Aktionen jedes Jahr mehrere Tonnen herumliegenden Abfall ein und entsorgen ihn korrekt. So mobilisieren beispielsweise Gemeinden mehrere hundert Teilnehmende, um öffentliche Plätze, Strassen oder Waldwege von Littering zu befreien. Schulen organisieren gemeinsam mit ihren Schülerinnen und Schülern Aufräum-Aktionen auf dem Schulareal und basteln danach mit dem gesammelten Unrat Skulpturen. Wassersport-Vereine tauchen in Gewässern nach Abfall und Unternehmen nutzen die Aktion als Team-Event, bei welchem sie die Umgebung ihres Standorts säubern. Diese beiden Tage sind auch für die IGSU-Botschafter-Teams und mich immer wieder ein Highlight. Wir begleiten jedes Jahr verschiedene Aktionen und sehen dort, mit wie viel Elan sich die Teilnehmenden für eine saubere Umwelt engagieren. Mittlerweile ist der Clean-Up-Day zu einer bekannten Bewegung geworden: Obwohl Freiwilligenarbeit in den letzten Jahren stetig abgenommen hat, verzeichnet der Clean-Up-Day regelmässig Rekord-Teilnehmerzahlen. 2019 haben sich schätzungsweise 40’000 Teilnehmende an über 650 Aufräum-Aktionen in allen Landesteilen engagiert. Und auch 2020 wurden mit über 450 mehr Aktionen registriert als aufgrund der Pandemie erwartet.

No-Littering-Label für engagierte Institutionen

Um Städte, Gemeinden und Schulen noch mehr in ihren Bemühungen gegen Littering zu unterstützen, hat die IGSU 2017 das No-Littering-Label ins Leben gerufen. Das Label kennzeichnet Städte, Gemeinden und Schulen, die sich gegen Littering einsetzen und bestärkt die Institutionen damit in ihren Bemühungen, motiviert sie zu weiteren Massnahmen und macht ihr Engagement in der Bevölkerung bekannt. Alle Städte, Gemeinden und Schulen der Schweiz haben die Möglichkeit, das Label zu beantragen. Dazu müssen sie sich zum Anforderungskatalog bekennen und ein ausreichendes Leistungsversprechen abgeben. Wird der Stadt, Gemeinde oder Schule das Label zugesprochen, kann sie es während des entsprechenden Kalenderjahres kostenlos in der gesamten Kommunikation einsetzen und zeigt so auf öffentlichkeitswirksame Weise, dass Littering im Verantwortungsbereich ihrer Institution nicht akzeptiert ist.

Raumpatenschaften: Günstig und wirksam

Nachdem eine Studie der IGSU und der ETH Zürich 2016 belegt hat, dass Raumpatenschaften wirken, nahm die IGSU diese 2018 in ihren Massnahmen-Katalog auf. Mit der Webseite www.raumpatenschaft.ch können wir damit Gemeinden und Städte mit Informationen und Hilfsmitteln dabei helfen, eigene Raumpatenschafts-Projekte umzusetzen. Innerhalb des Projekts übernehmen sogenannte Raumpaten jeweils die Verantwortung für ein festgelegtes Gebiet, das sie regelmässig aufräumen. Mittlerweile sind in verschiedenen Städten und Gemeinden Kitas, Schulen, Familien, Senioren, Fussball-Vereine oder Unternehmen auf Waldwegen, entlang von Strassen oder in Parks unterwegs, um diese von Littering zu befreien. Indem die betreuten Gebiete sauberer sind, steigt die Hemmschwelle, dort Abfall liegen zu lassen. Da sie auf Freiwilligkeit basiert, ist die Massnahme kostengünstig und entlastet den jeweiligen Reinigungsdienst. Und Raumpatenschaften haben auch eine wichtige präventive Wirkung. Auch hier wird deutlich, dass sich viele Menschen aus allen Altersgruppen gerne für ihre Umwelt einsetzen, auch wenn sie dafür keinen Lohn erhalten.

Unterstützung von umweltbewussten Unternehmen

Es gibt auch viele Unternehmen, die sich aktiv für die Umwelt einsetzen möchten. Sie haben neben dem Engagement am Clean-Up-Day oder als Raumpate auch die Möglichkeit, einen Social Responsibility Day mit ihren Mitarbeitenden durchzuführen. Gemeinsam mit den IGSU-Botschafter-Teams setzen sich die Mitarbeitenden des teilnehmenden Unternehmens einen Tag lang mit dem Thema Littering und Recycling auseinander. Dabei setzt die IGSU auf einen ausgewogenen Mix von Theorie und Praxis. Die Mitarbeitenden erweitern ihr Wissen über Ursachen, Auswirkungen und die Eindämmung von Littering, besuchen einen Recyclingbetrieb oder eine Kehrichtverbrennungsanlage und sammeln aktiv herumliegenden Abfall ein.

Auch von Event-Organisationen wird erwartet, dass sie ihre Anlässe nachhaltig und möglichst abfallarm durchführen. Gemeinsam mit Swiss Recycling unterstützt die IGSU die Organisationen bei der Entwicklung und Umsetzung von Abfallkonzepten. Zudem bieten sie eventspezifische Anti-Littering-Kampagnen und Crash-Kurse für Mitarbeitende der Events und Verkaufsstände an, mit dem Ziel, dass weniger Littering anfällt und mehr Abfall korrekt recycelt wird.

Ein Plakat sagt mehr als tausend Worte

Botschaften bleiben bekanntlich am besten im Gedächtnis, wenn man in verschiedenen Situationen über verschiedene Kanäle damit konfrontiert wird. So funktioniert das auch bei Sensibilisierungskampagnen. Um die Bevölkerung sowohl auf dem Weg zur Arbeit, als auch im Unternehmen oder im Fitnesscenter auf einer visuellen Ebene zu erreichen, können auf www.igsu.ch verschiedene Plakat-Sujets bestellt werden. So sind mittlerweile unter anderem in Bussen, in Restaurants oder in Bergbahnen Plakate im Einsatz, die beispielsweise das Innere eines völlig vermüllten Chalets zeigen. Dazu steht «Was im Chalet stört, stört auch auf dem Wanderweg». Sie sollen der Bevölkerung aufzeigen, wie fehl am Platz Littering ist – egal ob in den eigenen vier Wänden oder in der Natur.

Massnahmen tragen Früchte

Um zu messen, wie sich das Littering im Laufe der Zeit entwickelt, führt die IGSU seit 2015 jährlich eine Umfrage in der Bevölkerung durch. Sie zeigt, dass die verschiedenen Massnahmen von Städten, Gemeinden, Schulen und der IGSU Wirkung zeigen. Denn bei jeder Umfrage hatte die Bevölkerung den Eindruck, dass sich die Littering-Situation in der Schweiz im Vergleich zum Vorjahr leicht verbessert hat. Auch Schweizer Städte und Gemeinden nehmen eine Verbesserung war. Trotzdem fühlt sich nach wie vor ein Grossteil der Menschen von Littering gestört. Deshalb wird die IGSU ihre Massnahmen weiterführen und weiter ausbauen - damit in Zukunft auch die 15-Jährige im Park ihre leere Wasserflasche korrekt entsorgt und der Senior auf dem Wanderweg seinen Zigarettenstummel bis zum nächsten Abfallkübel mitnimmt.

www.igsu.ch

Littering betrifft alle Altersgruppen

 

Gastartikel der IGSU

 

Text und Bilder:

IGSU-Geschäftsleiterin Nora Steimer

Copyright 2022, ©Andrea Giovanni Käppeli | Basel | SUI

Kontakt: Littering@ag-kaeppeli.ch

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